Gault & Millau Schweiz | London Tea! Tee-Raritäten aus der ganzen Welt

Familie Bisang aus Münchenstein BL führt «London Tea» in der vierten Generation. Im Angebot: 360 Sorten!

LONDON CALLING. Die Tee-Manufaktur «London Tea» in Münchenstein, die grösste und älteste der Schweiz, ist leicht zu finden. Vor dem schlichten Gebäude in einem Wohnquartier des Basler Vorortes stehen eine britische Telefonkabine und ein feuerroter Doppelstöcker-Bus aus London. «Die Telefonkabine war ein Geschenk eines Londoner Teabrokers an meinen Vater, als Dank für langjährige Geschäftsbeziehungen. Der Bus ist eine Leihgabe eines Basler Garagisten. Der Bus rostete in einem Hinterhof vor sich hin. Jetzt ist er ein Eye Catcher in unserem Vorgarten», erzählt Matthias Bisang. Er führt zusammen mit seiner Frau Viviane und seinen beiden Söhnen Noël und Fabrice die exklusive Tee-Manufaktur «London Tea», die im Signet den englischen Löwen und das Einhorn aus dem königlichen Wappen führen. Bild oben v.l.: Matthias Bisang mit den Söhnen Fabrice & Noël, Ehefrau Viviane Bisang.

 

Reportage bei London Tea in Basel und Münchenstein BL 2022

Der Laden befindet sich am bekannten Spalenberg inmitten der Basler Altstadt.

 

Reportage bei London Tea in Basel und Münchenstein BL 2022

Die Tee-Manufaktur hingegen liegt in Münchenstein BL.

 

DIE TRADITION LEBT. Gegründet haben die Handelsfirma zwei Schweizer und fünf Engländer in London anno 1896 – damals regierte Queen Victoria das weltumspannende Empire. Kurz darauf eröffnete die «London Tea Company» Filialen in München, in St. Louis im Elsass und in Basel. Gehandelt wurden hier nur grad 12 Schwarztees aus China und Indien. Dank der Geschicke der Familie Bisang besteht «London Tea» noch heute (als Manufaktur und als Laden am Basler Spalenberg) und konnte im August 2021 das 125-Jahr-Jubliäum feiern. Krisenbedingt nicht mit einem grossen Fest, aber mit neuen Mischungen mit geschichtsträchtigen Namen wie Oxford, Westminster, Buckingham, Royal Ascot Tea oder Jewel of Earl Grey. Mit diesen umfasst das Sortiment sagenhafte 360 Sorten, reine Tees aus aller Welt sowie Blends. Diese Mischungen werden alle inhouse in Münchenstein gefertigt, in historisch anmutenden, mächtigen Mischkesseln aus Edelstahl. 

 

ALLES IN HANDARBEIT. Die Manufaktur trägt ihren Namen zu Recht, hier ist sehr viel Handarbeit gefordert. 16 langjährige Mitarbeitende in der Manufaktur leisten die. Das Abfüllen der Teetüten braucht trotz maschineller Unterstützung geschickte Hände und Sorgfalt. «Tee ist sehr licht-, wärme- und geruchsempfindlich, er muss schnell und sorgsam gemischt und abgefüllt werden, um Qualitätsverluste zu vermeiden», erklärt Matthias Bisang. Auch Muskelkraft ist gefordert, denn täglich treffen an der Rampe die wertvollen Rohstoffe aus aller Welt hier ein, in grossen Paketen und Gebinden, auf denen die Herkunftsorte stehen, die Teeliebhaber ins Schwelgen bringen: Darjeeling, Ceylon, Assam, Japan, China. Rund 30 Tonnen Kräuter und Tees kommen pro Jahr ins Haus, schätzt Bisang. Das Lager, quasi die Schatzkammer, ist im Kellergeschoss untergebracht, wo eine konstant kühle Temperatur und Dunkelheit herrschen. Hier lagern in grossen, luftdichten Fässern neben Kräutern aus den Alpen, Gewürzen und getrockneten Früchten für die Hausmischungen auch all die Raritäten aus Übersee, die mit einem silbernen Krönchen-Kleber auf den limettengelb-royalblauen Tüten von «London Tea» speziell gekennzeichnet sind. 

 

Reportage bei London Tea in Basel und Münchenstein BL 2022

Das Tee testen ist eine hohe Kunst. Das Abwägen verlangt Fingerspitzengefühl.

 

Reportage bei London Tea in Basel und Münchenstein BL 2022

Noël Bisang ist für die Produktionsleitung zuständig und wirkt beim Testen sowie beim Einkauf mit.

 

Reportage bei London Tea in Basel und Münchenstein BL 2022

Bei den Tees aus Übersee beträgt die Ziehzeit vier Minuten.

 

GUTE NASEN SIND GEFRAGT. Ihre Tees aus Übersee beziehen die Bisangs durch sogenannte Tea Broker in Hamburg. Diese haben Zugang zu den besten Rohstoffen, die für das Qualitätslabel «London Tea» benötigt werden. Die Hersteller schicken von einer Ernte mehrere Muster nach Hamburg und Münchenstein, die dann degustiert werden. Für diese Degustationen wird stets die Menge von 2,34 Gramm Tee verwendet, die Ziehzeit beträgt vier Minuten. Zuerst prüft Matthias Bisang – er absolvierte nach einer kaufmännischen Ausbildung die Fortbildung in teablending in Hamburg und zum tea tester beim Meister Warren Ford in London – optisch den Rohstoff. Mit Kennerblick prüft er das trockene und das nasse Blatt, dann die Farbe in der weissen Porzellantasse, erst zum Schluss kommt die Probe per Nase und Gaumen. Aus der Tasse wird per Löffel ein Schlückchen Tee verkostet. Gibt es viele Muster zu prüfen, spucken die Tester die Flüssigkeit aus, genau wie bei Weinproben, auch wenn bei Tee kein Rausch zu befürchten ist. Die Söhne Noël und Fabrice sind bei den Tests oft dabei, als gelernte Köche bringen sie auch das nötige Sensorium mit. 

 

DAS GRÜNE WUNDERPULVER. Neben der Eigenmarke vertreiben Bisangs auch Matcha-Tee von Aiya, dem Top-Hersteller aus Japan. Matcha, der zu Pulver verriebene Grüntee, ist wegen seiner gesunden Inhaltsstoffe und seiner knalligen Farbe vom Liebhaber-Produkt zum Superfood und zum Shooting Star der Food-Blogger und -Magazine avanciert, macht er doch als Zutat aus dem Gericht, Smootie und Shake einen Hingucker. «Gerade junge, gesundheitsbewusste Menschen suchen Alternativen zu Kaffee und sind auf Matcha oder Kräutertee umgesattelt. Von diesem Trend profieren wir», sagt Bisang und zeigt im Laden bei der Manufaktur auf das grosse Sortiment aus Japan. «Auch die ganz teuren Matchas, deren Prise mit Kaviar vergleichbar sind, laufen gut bei uns», meint Bisang stolz. Es gebe genug Puristen, die sich diese Champagner-Tees leisten mitsamt dem Zubehör für die ausgeklügelte Zeremonie, mit der echter Matcha zubereitet wird. Weil «London Tea» rund achtzig Prozent Privatkunden und einen tollen Online-Shop hat, ging Corona nicht grad spurlos, aber eher harmlos am Betrieb vorbei. «Wir liefern ab einer Bestellsumme von dreissig Franken portofrei – da legen wir zwar drauf, aber vielleicht lassen sich ja Online-Kunden von unserer Qualität überzeugen und bestellen wieder, vielleicht auch etwas mehr», so Bisangs Strategie.

 

DIE CRUX MIT DEM BIO. Im Fabrik-Laden und im Shop an Spalenberg sind die grossen dekorativen Blechdosen durchaus vertreten, verkauft werden aber nur abgepackte Tees. Für Duftproben stehen kleine Döschen bereit. «Tee im Offenverkauf oder die Riechprobe an den grossen Blechdosen sind ein No-Go für uns als Qualitäts-Anbieter», meint Bisang. Auch Cellophanverpackungen, wo man den Tee zwar sieht, aber auch dem Licht aussetzt, sind bei «London Tea» verpönt. Mit den Verpackungen sei das schon ein Dilemma: man wolle sie so ökologisch wie möglich, aber auch so sicher wie nötig. Die Tüten aus Münchenstein sind aus Papier mit einer Alubeschichtung im Innern als Geruchs-Barriere. Bei den Pyramiden-Einzelbeutel wird statt bisher Nylon neu nicht genmanipuliertes Zuckerrohr verwendet, die hundert Prozent biologisch abbaubar sind. Und wie bio sind die Tees? «In Herkunftsländern wie Indien oder China ist das mit Bio eine vertrackte Sache. Die Labels sind uneinheitlich und wenig vertrauenserweckend», erklärt Bisang. Alle Tees, die das «London Tea»-Label tragen, werden in Hamburg vom Zwischenhändler im Labor streng auf Rückstände geprüft und wenn alles in Ordnung ist, zertifiziert. Die Schweizer Kräuter stammen ausschliesslich aus Bio-Betrieben.

 

HAHNENWASSER ODER MINERAL? Soll man so edlen Tee eigentlich besser mit Mineral- statt Hahnenwasser kochen, wo doch vielerorts unser Leitungswasser sehr kalkhaltig ist? «Nicht nötig», sagt Bisang. Gerade kräftigen Tees wie Assam tue der Kalk gut. Und reisen Bisangs selber auch in die Anbaugebiete ihrer Delikatessen? «Ja, aber rein privat. Wir kaufen ja keine «wilden Tees» direkt von Produzenten. Unsere letzte Reise vor vier Jahren ging ins Hochland von Sri Lanka, es war traumhaft schön. Schon lange geplant ist eine Japan-Reise, wo wir die Aiya-Produktion besuchen möchten. Vielleicht klappt das ja dieses Jahr endlich», so hofft Bisang. Letzte Frage: Gibt’s im Büro und Pausenraum von «London Tea» in Münchenstein eine Kaffeemaschine? «Klar doch! Auch ein exzellenter Espresso kann eine Delikatesse sein und ist, neben Milch oder Wasser, beim Neutralisieren der Geschmackssensorik während des Tea-Testings sehr hilfreich,» weiss Bisang.  

 

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